Mittwoch, 8. Mai 2019

» Mental Health Month | #fürmehrrealität



Im Jahr 1949 wurde der Monat Mai von der Organisation Mental Health America erstmals zum Mental Health Month ausgerufen. Da Mental Health ein sehr wichtiges Thema ist, von dem weitaus mehr Menschen betroffen sind, als einem vielleicht bewusst ist, möchte ich diese Plattform als Möglichkeit nutzen, euch etwas mehr meine psychischen Erkrankungen zu erzählen und warum mir der Austausch mit anderen so wichtig ist. Denn nur, wenn man auch darüber spricht, kann man sich gegenseitig unterstützen. 

Dieses Jahr jährt sich der Mental Health Month bereits zum 70. Mal! Mental Health America wählt in jedem Jahr ein spezifisches Thema, unter dem der Mental Health Month steht. In diesem Jahr wird das Thema #4Mind4Body aus dem letzten Jahr noch einmal aufgegriffen und weiter vertieft. Prinzipiell geht es jedoch darum, auf psychische Erkrankungen aufmerksam zu machen, andere aufzuklären sowie Betroffenen durch den Austausch und die Aufklärung Unterstützung zukommen zu lassen. Und genau das ist sehr wichtig.

Psychische Erkrankungen gelten heute leider oft noch als Tabuthema, über das man gerne schweigt. Man schämt sich darüber zu reden, alleine deshalb, weil es viele Vorurteile gibt. Ich nehme mich da selbst nicht heraus. Mir wurde erst vor einem Jahr so wirklich bewusst, dass ich Probleme habe, auch wenn diese schon seit einigen Jahren bestehen. Das wird mir aber erst jetzt nach und nach klar, wie lange mich das schon begleitet. Vor einem Jahr begann ich mich vermehrt zu fragen, was mit mir los ist und nahm immer deutlicher wahr, wie mir ganz alltägliche Dinge wahnsinnig schwer fielen.
Es kostet Überwindung, sich Hilfe zu suchen. Und ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass es danach sofort besser wird. Doch wenn man den ersten Schritt erst mal getan hat, dann schafft man es auch den zweiten gehen. Und auch, wenn es vielleicht so scheint, es ist nichts, wofür man sich schämen muss!


» WARUM ERZÄHLE ICH EUCH DAS? «

Es geht mir dabei gewiss nicht um Aufmerksamkeit. Jeder, der mich kennt, weiß genau, dass ich überhaupt nicht gerne im Mittelpunkt stehe. Doch ich habe in letzter Zeit immer häufiger gemerkt, wie sehr es mich inspiriert und wie viel Kraft es mir gibt, wenn ich höre, wie andere mit ihren psychischen Erkrankungen umgehen und wie sie darüber sprechen. Ich fühle mich dadurch weniger alleine, ein Stück weit besser verstanden und habe das Bedürfnis, dieses Gefühl auch an andere weiterzugeben. Denn diese Krankheit ist nun mal ein Teil von mir, der nicht mehr weg geht. Das ist etwas, das ich akzeptieren muss und ich bin immer noch dabei es zu lernen.

Seit ich im letzten Jahr eine Therapeutin aufgesucht habe, weiß ich, dass ich unter sozialen Phobien, Depressionen und Berührungsängsten leide. Wer mir auf Twitter folgt, wird das sicherlich bereits wissen, denn dort teile ich häufig, wie es mir geht. Es ist sozusagen mein Ventil.
Mir war schon eine ganze Weile aufgefallen, dass ich körperliche Nähe oder Berührungen nur in begrenztem Maße zulassen kann. Wird dieses Maß überschritten, reagiert mein Körper sehr stark darauf. Das kann bei freundschaftlichen Umarmungen oder auch in ganz alltäglichen Situationen, wie zum Beispiel in einem vollen Bus sein. Früher habe ich das nicht so verstanden. Ich dachte: Okay, ich kriege Schweißausbrüche, weil mir nun mal warm wird, wenn man im Bus so zusammengedrängt steht. Jetzt weiß ich, dass das die Reaktion meines Körpers auf meine Angst ist. Und es gab viele solcher Momente, die ich erst jetzt nach und nach richtig einordnen kann. Durch meine Therapie setze ich mich immer mehr mit meinen Ängsten auseinander und lerne immer mehr über mich dazu.

Die sozialen Phobien sind da noch etwas komplexer. Früher dachte ich, ich wäre bloß sehr introvertiert und würde mich deshalb mit anderen Menschen schwer tun. Doch so einfach ist es nicht. Meine Ängste beziehen sich nicht nur auf Fremde, sondern auch auf Freunde und Familie. Ich habe ständig Angst, mich merkwürdig zu verhalten, etwas falsch zu machen. Jemanden von mir zu stoßen, weil ich mich manchmal nun mal in mein Schneckenhaus zurückziehe und dann gerne für mich allein bin. Soziale Interaktion überfordert mich. Immer. Und oft frage ich mich hinterher, ob ich mich in dieser und jener Situation dämlich verhalten habe.
Wie viele Partys und Veranstaltungen ich abgesagt habe, weil meine sozialen Ängste die Überhand gewonnen haben? Ich habe keine Ahnung. Mittlerweile bin ich aber soweit, dass ich mich davon nicht mehr abhalten lasse. Ich fordere mich selbst heraus und das geht das besten, wenn ich das mit meinen Freunden tun kann!

Vor allem aber in der Uni haben mir die sozialen Ängste bisher am meisten im Weg gestanden. So sehr, dass ich Seminare nicht mehr besucht habe, in denen ich Referate halten sollte, weil es für mich der blanke Horror ist, vor einer Menschenmenge zu stehen und zu reden. Es ging sogar soweit, dass ich Hausarbeiten bis zuletzt aufgeschoben habe, weil ich mich nicht getraut habe, in der Bibliothek Bücher auszuleihen. Ich hätte schließlich etwas falsch machen können und andere könnten das beobachten und mich auslachen.
Natürlich ist mir bewusst, dass diese Ängste auf andere harmlos wirken. Referate halten, in der Bib Bücher ausleihen, das kann doch jeder. Nein, nicht jeder. Ich kann es nicht. Nicht für jeden ist so etwas leicht zu bewältigen und erst recht nicht für jemanden mit sozialen Ängsten.

Und das sind nur wenige Beispiele, in denen mir meine Ängste im Alltag im Weg stehen. Erst diese Woche lag ich morgens im Bett und konnte partout nicht aufstehen, weil der Weg in die Uni, der  Gedanke unter Menschen zu sein, für mich unmöglich schien. Also bin ich Zuhause geblieben und fühlte mich gleich darauf schwach. Weil meine Angst gesiegt hatte. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Kampf verloren und ich mag es überhaupt nicht zu verlieren.
Doch wisst ihr was? Das ist okay. Die Alternative wäre gewesen, mich den ganzen Tag durchzuquälen, unkonzentriert in der Uni zu sitzen und nichts mitzubekommen. Und ist das wirklich besser? Ich denke nicht. Also habe ich die Zeit genutzt und mich anderen Dingen gewidmet, die schon länger liegen geblieben waren.

Gerade in solchen Momenten, in denen man sich selbst nicht besonders stark fühlt, ist es gut zu wissen, dass man mit seinen Ängsten und Problemen nicht alleine ist. Manchmal reichen bloß ein paar nette Worte eines anderen, um jemandem Kraft zu geben. Zu wissen, dass da jemand ist, sodass man neuen Mut schöpfen kann.
Psychische Erkrankungen fordern einen immer wieder aufs Neue zum Kampf heraus. Mal gewinnt man, mal verliert man. So ist das im Leben. Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen - eine Lektion, die auch eine Carol Danvers lernen musste.


» #fürmehrrealität «

Es ist immer einfach, in die Kamera zu lächeln und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Als ginge es einem gut. Doch man darf auch mal ehrlich sein und zugeben, wenn es einem nicht so gut geht. Gerade im Internet versucht sich jeder von seiner besten Seite zu zeigen, doch vermitteln wir anderen damit nicht ein völlig falsches Bild? Wollen wir uns nicht lieber für mehr Realität einsetzen, über unsere Probleme sprechen, um so anderen Betroffenen Kraft und Trost zu spenden und die Nicht-Betroffenen aufzuklären?

Ich möchte das sehr gerne und hoffe, dass meine Geschichte jemand anderem vielleicht etwas Kraft spenden kann. Denn wir sind nicht alleine und wir sind auch nicht schwach. Alleine, dass wir Tag für Tag erneut den Kampf aufnehmen, zeigt doch, wie stark wir wirklich sind.


» Buchempfehlungen «

In einigen neuen Roman wird das Thema Mental Health aufgegriffen. Autoren lassen ihre eigenen Erfahrungen in die Geschichten einfließen und geben Betroffenen und Interessierten damit einen Einblick. Sie nutzen das Medium Buch, um aufzuklären und das finde ich ganz wunderbar. Als jemand, der immer gerne etwas aus Büchern mitnimmt, möchte ich euch daher gerne ein paar Buchempfehlungen mit auf den Weg geben, in denen Mental Health eine große Rolle spielt.

Holly Bournes Spinster Girls, Adriana Popescus Mein Sommer auf dem Mond, Laura Kneidls Berühre mich. Nicht. und John Greens Schlaf gut, ihr fiesen Gedanken sind alles Romane, die sich um psychische Erkrankungen drehen. Jeder Roman auf seine eigene Art und Weise, doch jeder mit der Funktion, aufzuklären. Andere zu sensibilisieren und ein grundlegendes Verständnis dafür zu schaffen, dass solche Erkrankungen existieren und es normal sein sollte, darüber zu sprechen. All diese Romane habe ich bereits gelesen und kann sie euch nur wärmstens empfehlen, wenn ihr euch mit dem Thema befassen wollt. Die jeweiligen Rezensionen findet ihr ebenso hier auf dem Blog.

Zwei Bücher, die ich selbst noch nicht gelesen habe, euch aber dennoch empfehlen möchte sind Reasons to Stay Alive und Notes On a Nervous Planet von Matt Haig. Der Autor selbst geht sehr offen mit dem Thema Mental Health um, auch auf seinen Social Media Kanälen und spricht auch in diesen beiden Büchern darüber. Genau deshalb möchte ich sie auch unbedingt noch lesen. Denn wie ich bereits sagte, der Austausch untereinander ist sehr wichtig und ich denke, dass jeder aus diesen Büchern etwas für sich mitnehmen kann.



2 Kommentare:

  1. Hallo Jenny,
    ein sehr schöner und wichtiger Blogpost! Ich finde es toll, dass du so offen bist und auch ein bisschen von dir erzählst. Ich finde auch, dass man nicht genug auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen kann, denn den meisten Menschen, die unter ihnen leiden, sieht man es nicht an und viele leiden still.
    Liebe Grüße und alles Gute dir, Steffi

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  2. Liebe Steffi,

    danke dir für die lieben Worte. Genau deshalb finde ich es auch so wichtig, dass man darüber spricht, damit man eben nicht mehr still leiden muss. Dadurch fühlt man sich nämlich auch oft sehr alleine mit seiner Erkrankung und das muss nicht sein.

    Liebe Grüße
    Jenny

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